Kevin Großkreutz kämpfte mit brüchiger Stimme gegen die Tränen - und verlor doch. Als der tief gefallene Weltmeister seinen unvermeidlichen Abschied vom Zweitligisten VfB Stuttgart und vorerst auch vom Profi-Fußball verkündete, übermannten ihn die Gefühle.
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"Ich wollte nicht einfach so abhauen", begann der 28-Jährige seine rund dreiminütige Erklärung im überfüllten Presseraum im "Roten Haus" in Bad Cannstatt, während derer er sich mehrfach für seinen "Fehler" entschuldigte. Beim Verein, dessen Fans, aber auch bei seiner jungen Familie.
Dass er in der Nacht auf Faschingsdienstag in eine Schlägerei verwickelt war, wie an dem Veilchen an seinem rechten Auge unschwer zu erkennen, damit müsse er "leben", sagte Großkreutz. Der Vorfall kostete ihn seinen Job beim VfB - und zumindest vorerst auch den als Profi.
Trennung "in beiderseitigem Einvernehmen"
Großkreutz und der fünfmalige deutsche Meister einigten sich auf die sofortige Auflösung des noch bis 2018 laufenden Vertrages - "in beiderseitigem Einvernehmen", wie die Beteiligten betonten. "Kevin weiß, dass er großen Mist gebaut hat", sagte VfB-Sportvorstand Jan Schindelmeiser, der sechsmalige Nationalspieler und Held von Rio sei "seiner Vorbildfunktion nicht gerecht geworden". Einzelheiten der "ernsthaften Vorfälle" dürfe er nicht schildern, es sei Stillschweigen vereinbart worden.
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Auch Großkreutz ging nicht ins Detail, als er kurz darauf völlig überraschend vor die Presse trat. Wie sehr ihn die Sache aufwühlte, machten nicht nur seine Tränen deutlich. Immer wieder zupfte er sich seine graue VfB-Mütze zurecht, seine Worte waren die eines von sich selbst bitter enttäuschten Stars. "Ich werde jetzt erst mal ruhiger machen und möchte mit dem Profi-Fußball erst mal nichts mehr zu tun haben", sagte er. Und, dass er hoffe, im Mai zur Aufstiegsfeier mit "den Jungs" eingeladen zu werden.
Schindelmeiser machte ihm da durchaus Hoffnungen. Großkreutz bleibe trotz der Vertragsauflösung "immer noch unser Junge", sagte er. Es sei aber beiden Seiten nach offenen, fairen und emotionalen Gesprächen klar gewesen, "dass wir nicht zur Tagesordnung übergehen können".
Die Frage: Was ist wirklich passiert?
Zumal Großkreutz nicht zum ersten Mal außerhalb des Stadions in die Schlagzeilen geraten ist. In seiner Zeit bei Borussia Dortmund hatte er nach dem verlorenen Pokalfinale 2014 in die Lobby eines Hotels uriniert. Kurz davor hatte er mit der "Döner-Wurf-Affäre" für Aufregung gesorgt. Zur WM nach Brasilien durfte er trotzdem mit.
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VfB-Präsident Wolfgang Dietrich meinte, sein erster Gedanke zum neuerlichen Eklat sei gewesen: "Der lässt nichts aus." Dann aber habe er sich gefragt: "Was ist wirklich passiert?" Diese Frage bleibt zunächst ungeklärt. Großkreutz, der erst vor wenigen Monaten erstmals Vater geworden war, war bei der Schlägerei am Wilhelmsplatz in Begleitung von drei Nachwuchsspielern des VfB, denen laut Schindelmeiser ebenfalls Konsequenzen drohen. Die Kontrahenten sollen Teenager gewesen sein.
In dieser schwarzen Nacht von Stuttgart fand eine Karriere ihr vorzeitiges Ende, die zuletzt von Rückschlägen geprägt war. Seinen geliebten BVB hatte Großkreutz, der die Dortmunder Skyline auf seine rechte Wade tätowiert hat, im Sommer 2015 verlassen müssen. Bei Galatasaray Istanbul kam er wegen eines Formfehlers bei seinem Wechsel nicht zum Einsatz.
Stuttgart holte ihn im Januar 2016 gegen eine Ablöse von 2,2 Millionen Euro zurück in die Bundesliga, doch Großkreutz konnte den Abstieg nicht verhindern. Dennoch wurde die Kämpfernatur am Neckar, wo sie seine immer offene, ehrliche Art schätzten, zum Publikumsliebling und Stammspieler.
In dieser Saison hat er 17 Pflichtspiele bestritten, im Topspiel bei Eintracht Braunschweig am Montag wird er fehlen. Ob Großkreutz jemals wieder ein Fußballtrikot tragen wird, ist offen.