Die Torlinientechnik in den Fußball-Bundesligen bleibt Zukunftsmusik: Die 36 Profivereine stimmten am Montag in Frankfurt/Main mehrheitlich gegen die Einführung der technischen Unterstützung für die Schiedsrichter - die Unparteiischen müssen auch künftig bei "Phantomtoren" auf ihr Augenmaß vertrauen.
"Sowohl die Bundesliga als auch die zweite Bundesliga verzichten zunächst auf die Einsetzung dieses Hilfsmittels", sagte Reinhard Rauball, Präsident des Ligaverbandes und des Bundesligisten Borussia Dortmund im Anschluss an die ordentliche Mitgliederversammlung: "Bis auf Weiteres hat sich dieses Thema damit aus unserer Sicht erledigt."
Christian Seifert, Vorsitzender der Geschäftsführung der Deutschen Fußball Liga (DFL), sprach von einem "demokratischen Votum, das es zu akzeptieren gilt. Der Grad der Professionalität der Bundesliga steht und fällt nicht mit einer Torlinientechnik. Die Bundesliga hat sich ihren Ruf ja auch ohne diese Technik erarbeitet."
Nur neun Erstliga-Vereine stimmten für die Revolution auf der Torlinie. Das recht klare Votum gegen die Technik - für die Einführung wäre eine Zweidrittel-Mehrheit notwendig gewesen - ist zumindest für die Bundesliga überraschend. Noch am Montagmittag hatte Triple-Gewinner und Branchenprimus Bayern München bestätigt, "definitiv" für die Technik zu stimmen. "Als Demokraten haben wir das zu akzeptieren, aber wir vom FC Bayern bedauern dies", sagte Münchens Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge: "Wir werden in Zukunft weiter mit Fehlentscheidungen leben müssen. Es sollte dann aber auch nicht weiter darüber lamentiert werden."
Kosten für viele zu hoch
Am Ende überwogen die Kritiker, die vor allem Kosten und Nutzen der Systeme nicht im Verhältnis sahen. Im Unterhaus lautete das Ergebnis der geheimen Wahl sogar nur 3:15. Für ein auf Hochgeschwindigkeitskameras basierendes System hätten die Vereine mit Kosten um die 500.000 Euro für drei bis dreieinhalb Jahre rechnen müssen, bei einem Magnetfeldsystem wäre die "gedeckelte Obergrenze bei 250.000 Euro" gewesen, rechnete DFL-Geschäftsführer Andreas Rettig vor. Die Einsetzung von Torrichtern komme "überhaupt nicht infrage", sagte Rettig: "Dazu gab es schon im Vorfeld schon ein klares Votum."Damit bleibt die englische Premier League die bislang einzige Liga, in der flächendeckend eine Torlinientechnik ("Hawk Eye") zum Einsatz kommt, der Weltverband FIFA baut bei der WM in Brasilien (12. Juni bis 13. Juli) ebenfalls auf ein kamerabasiertes System ("GoalControl").
Phantomtor von Kießling gibt Anlass
Richtig Fahrt gewonnen hatten die teils hitzigen Diskussionen nach dem "Phantomtor von Sinsheim" am 18. Oktober 2013. Bayer Leverkusens Torjäger Stefan Kießling köpfte den Ball während der Partie bei 1899 Hoffenheim (2:1) durch ein Loch im Außennetz ins Tor - Schiedsrichter Felix Brych (München) gab den Treffer dennoch und schrieb damit ein Stück Sportgeschichte. Die Nachwehen mit Gerichtsverhandlung und Internethetze gegen Kießling waren jedoch alles andere als förderlich für die Außenwahrnehmung des deutschen Fußballs.Schiedsrichter-Boss Herbert Fandel akzeptierte die Entscheidung "selbstverständlich". Allerdings hoffe er, "dass sich der ein oder andere nach dieser Entscheidung in Zukunft etwas schwerer tut, die Schiedsrichter für eine strittige oder falsche Entscheidung in diesem Bereich öffentlich zu kritisieren", sagte Fandel.
International setzt die FIFA seit dem Confed-Cup im vergangenen Jahr in Brasilien auf das Kamerasystem GoalControl. Die Europäische Fußball-Union (UEFA) hingegen lehnt die technische Hilfe in ihren Klubwettbewerben bislang strikt ab. "Es gibt auch in Europa kein einheitliches Bild", sagte Seifert: "Es scheint sicher zu sein, dass Frankreich und Italien weiter auf Torrichter setzen."
Diskutiert wurde in Deutschland zuletzt immer wieder, ob Einzelentscheidungen in einem Ligabetrieb den Aufwand rechtfertigen würden. Anders als bei dem K.o.-System bei EM- und WM-Endrunden hatte bislang noch kein falsch bewertetes Tor über Meisterschaften, Auf- oder Abstiege entschieden. Auch deshalb konnte die Präsentation der DFL-Spitze die Liga-Vertreter im Sheraton Airport Hotel & Conference Center am Frankfurter Flughafen mehrheitlich nicht überzeugen.