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Geordneter Führungswechsel beim FC St. Pauli

Zu den Kommentaren
02. Juli 2014, 15:08 Uhr
Stefan Orth
Stefan Orth wird in Zukunft die Geschicke St. Paulis nicht mehr leiten

Die Nachricht, dass das fünfköpfige Präsidium um Stefan Orth keine Zukunft mehr beim FC St. Pauli hat, kam wie ein Paukenschlag. Wie ist jetzt die Lage im Vorstand? Wer ist der neue Mann Oke Göttlich? Und wie geht es am Millerntor jetzt weiter? 

Die Lage im Vorstand

Am Dienstag verkündete Stefan Orth, dass er und sein Präsidiumsteam bei der nächsten Jahreshauptversammlung des FC St. Pauli nicht mehr zur Wahl antreten dürfen. Der Aufsichtsrat, der in diesem Falle das Vorschlagsrecht hat, hat mit Oke Göttlich bereits einen anderen Kandidaten benannt.

Dass zum einen diese Personalien vor den PKs Anfang der Woche nicht nach außen drangen und zudem die Tonart von Seiten des Präsidiums und des Aufsichtsrates von beiderseitigem Respekt zeugten, ist bemerkenswert, war das doch nicht immer so beim Hamburger Stadtteilklub. Schlammschlachten zwischen den einzelnen Vereinsgremien, gerne auch in der Öffentlichkeit, waren in der Vergangenheit nicht selten.

So aber muss nun Orth nach gut vier Jahren sein Amt räumen, nicht freiwillig, wie er gestern deutlich machte. Allerdings wäre sein momentan fünfköpfiges Vorstandsteam eh zusammengeschrumpft. Bernd-Georg Spies hatte seinen Verzicht aus beruflichen Gründen schon zuvor bekannt gemacht, sein Kollege Tjark Woydt hätte nach der Satzung aus Altersgründen nicht noch einmal antreten dürfen. So wären Orth zunächst nur noch Gernot Stenger und Ex-Profi Jens Duve geblieben. Eine neue Zusammenstellung wäre also ohnehin notwendig gewesen.

Diese kommt nun in radikalerer Form, denn der siebenköpfige Aufsichtsrat des Vereins hat von seiner satzungskonformen Möglichkeit Gebrauch gemacht, einen Präsidentenkandidaten abzulehnen und nun einen eigenen Favoriten zur Wahl vorzuschlagen. Schon seit Februar haben sich die Räte in einem systematischen und vertraulichen Prozess intensiv mit dieser Thematik befasst, auch Orth war davon stets informiert, er selber war weiterhin in der Auswahl. 
 

Der neue Mann

Neuer Vereinspräsident soll der Medienunternehmer Oke Göttlich sein. Der 38-Jährige ist langjähriger Fan des Vereins und nach einigen Jahren als Sportjournalist ist er nun als Mitgründer und Vorstandsvorsitzender einer erfolgreichen Firma tätig, die unabhängige Plattenfirmen vertritt und deren Musik auf digitalem Wege vertreibt.

Zudem sitzt der studierte Sportwissenschaftler momentan noch im Vorstand des Verbandes unabhängiger Medienunternehmen, ist beratend für das Bundeswirtschaftsministerium tätig und hatte sich in der Vergangenheit schon ehrenamtlich für den Verein engagiert. All das macht Göttlich in den Augen des Aufsichtsrates zum idealen Kandidaten, das vorgelegte Konzept habe überzeugt, die Entscheidung im Gremium sei einstimmig gefallen. Sein berufliches Umfeld wird mit der Lage des FC St. Pauli verglichen, der sich den Anforderungen des aktuellen Fußballgeschäfts inmitten vieler finanziell weitaus besser aufgestellter Vereine gegenüber sieht. Dazu wurden Netzwerkkompetenz und Integrationsfähigkeit als Merkmale des Kandidaten genannt.

Der wirtschaftliche Druck von außen, möglicherweise in Zukunft folgende Lizensierungsvorgaben der DFL, die eine Ausgliederung der Profiabteilungen vorsehen, das Bewahren der Werte und Identitäten des Vereins, das Sichern der Konkurrenzfähigkeit - all das sind nach Ansicht des Aufsichtsrates die Anforderungen für einen neuen Präsidenten, von dem eine aktive Antwort auf die veränderten Rahmenbedingungen erwartet wird.

"Jedes Präsidium hat seine Zeit", so Aufsichtsratsvorsitzender Marcus Schulz, der den ehemaligen Präsidenten Corny Littmann als notwendigen Ausputzer und Blutgrätscher in schwierigen und existenzbedrohenden Zeiten des Vereins bezeichnete und Stefan Orth eher als "Sechser", der für Aufbauarbeit und Konsolidierung steht, charakterisierte. Nun aber werde ein Spielgestalter gesucht, der "auch mal einen rein macht".

Dem aktuellen Präsidium, das nun noch gute vier Monate im Amt sein wird, hat der Aufsichtsrat ausdrücklich seinen Dank und sein Vertrauen ausgesprochen, ein Machtvakuum werde nicht entstehen. Auch aus Respekt vor den derzeit noch handelnden Personen will sich Oke Göttlich vorerst nicht öffentlich äußern. Sein Vizepräsidenten-Team ist ebenfalls noch nicht bekannt. 
 

Der Ausblick

Stefan Orth konnte noch ein paar Erfolgsmeldungen platzieren. So wird die Nordtribüne nach dem ersten Heimspiel der Saison gegen Ingolstadt abgerissen und somit der Startschuss gegeben für den vierten und abschließenden Teil des Stadionumbaus am Millerntor. Gleichzeitig wurde bekannt, dass zusammen mit der Stadt Hamburg die Entscheidung für einen externen Bau der neuen Stadionwache gefallen ist. Damit werden innerhalb des Stadions die Räume frei, die für ein Vereinsmuseum vorgesehen sind, das von zahlreichen Fans und Mitgliedern seit geraumer Zeit mit viel Engagement geplant und vorangetrieben wird.

Zusammen mit einem gerade erst fertiggestellten neuen Trainingsgelände, einem vom DFB mit der Höchstwertung zertifizierten Jugendleistungszentrum sowie seit einigen Jahren soliden Finanzen, befindet sich der FC St. Pauli auf einem guten Weg in die Zukunft, jedenfalls was die infrastrukturellen Faktoren angeht.

Eine wichtige Aufgabe des neuen Präsidenten und seines Teams soll nun sein, den Verein trotz aller im modernen Fußball notwendigen Professionalität nicht zu weit wegzulenken von den Idealen, die vor allem die aktive Fanszene in den letzten knapp 30 Jahren auf St. Pauli etabliert hat. Dazu passt dann auch der Wunsch des Aufsichtsrates nach einem "einmaligen Profil zwischen Vermarktung und Identität". Einen "breiten Blickwinkel auf den Fußball", den viele mit dem Verein verbundene Menschen auszeichne, sieht man auch bei Göttlich.

Noch sind das alles aber Gedankenspiele, wenn auch sehr konkrete. Denn das letzte Wort haben die über 20.000 Vereinsmitglieder, die voraussichtlich Mitte November zu ihrer jährlichen Versammlung zusammenkommen werden und dann per Stimmzettel über den personellen Vorschlag des Aufsichtsrates zu entscheiden haben. Eine einfache Mehrheit würde dem Kandidaten genügen. Und ob dieser dann die Erwartungen erfüllt, wird sich naturgemäß sowieso erst in der Zukunft zeigen.

Autor: Thomas Glöy

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