Der Fall Russland spaltet die Gemüter. Die Entscheidung des IOC wurde zumeist verärgert aufgenommen. Im Folgenden die Reaktionen auf den Beschluss:
WADA: "Die WADA hat die Entscheidung des IOC im Fall Russland zur Kenntnis genommen und sich enttäuscht" darüber gezeigt, dass das IOC der WADA-Empfehlung eines kompletten Ausschlusses russischer Athleten auf Basis der Erkenntnisse aus dem McLaren-Report "nicht gefolgt ist. Ein Ausschluss der russischen Athleten hätte eine ganz klare zukunftsorientierte Linie aufgezeigt."
Marathon-Weltrekordlerin Paula Radcliffe: "Das ist ein sehr trauriger Tag für den sauberen Sport. Diese Entscheidung beweist, dass der saubere Athlet nicht das wichtigste Anliegen des IOC ist."
Chris Hoy: Das IOC gibt seine Verantwortung für die Spiele und den Sport generell ab und schiebt den Verbänden den Schwarzen Peter zu. Was ist denn das für eine Botschaft? Es ist die Aufgabe des IOC, auch unbequeme Entscheidungen zu treffen und zu vertreten"
DTTB-Präsident Michael Geiger: "Ich bin sehr besorgt um unseren Sport. Ich hätte mir eine mutigere Entscheidung gewünscht. Wenn ich als Schiedsrichter nicht bereit bin, irgendwann auch mal die Rote Karte zu zeigen, entgleitet mir das Spiel. Mich ärgert, dass man im Vorfeld postulierte, dass das IOC nicht zögern werde, die härtesten Sanktionen gegen beteiligte Personen und Organisationen zu ergreifen. Aber die Organisationen scheinen rausgelassen worden zu sein."
Weitspringer Greg Rutherford: "Die Einführung einer Last-Minute-Verbannung für russische Athleten, die schon einmal eine Dopingsperre abgesessen haben, gleichzeitig Athleten aus anderen Ländern mit genau der gleichen Geschichte aber zuzulassen, ist, als würde man einen hungernden Mann bitten, 'Danke' zu sagen, wenn man ihm ein einziges Reiskorn gibt."
Eiskunstlauf-Olympiasieger Jewgeni Pluschenko: "Wir sollten zurückschlagen. Es ist Zeit, dem Leichtathletik-Weltverband zu zeigen, dass wir stärker sind."
Hockey-Olympiasieger Moritz Fürste: "Ich hoffe, dass diese Entscheidung die Voraussetzungen erfüllt, damit die bestraft werden, die schuldig sind. Es ist ein schmaler Grat. Wenn es irgendwo schwarze Schafe gibt, ziehen diese viele Unschuldige mit in den Sumpf."
Bundesinneministerium: "Im Sinne eines sauberen Sportes hätte sich die Bundesregierung eine deutlichere sportartenübergreifende Entscheidung des IOC vorstellen können."
Ines Geipel, Vorsitzende der Doping-Opfer-Hilfe (DOH): "Die Entscheidung, Russland nicht von den Spielen in Rio de Janeiro auszuschließen, liegt leider auf der Linie des Internationalen Olympischen Komitees. Es war klar, dass es eine diabolische Entscheidung geben würde, aber diese ist natürlich die Katastrophe. Das ist ein trauriger, ernüchternder, entsetzlicher Tag für den olympischen Sport.
Ehemaliger Reck-Weltmeister Eberhard Gienger: "Nach dem Dilemma um die Entscheidung muss das IOC lernen: Es bedarf internationaler Vereinbarungen zu derartigen Fällen und konkreter Regeln zum Umgang mit Hinweisgebern. Nach zahlreichen Dopingskandalen ist das Vertrauen der Menschen in einen sauberen Sport beschädigt. Will man die Integrität und Glaubwürdigkeit zurückgewinnen, müssen zudem die Sportorganisationen und die unabhängigen Anti-Doping-Behörden enger kooperieren."
Ehrenmitglied Walther Tröger: "Ich bin mit diesem Beschluss nicht einverstanden. Das war mir zu viel Rücksicht auf Russland. Ein anderes Urteil wäre auch eines gegen die Unschuldsvermutung gewesen."
Governance-Expertin Sylvia Schenk:"Das ganze System zur Doping-Bekämpfung muss überarbeitet werden. Dieser Vorgang zeigt doch, dass der Anti-Doping-Kampf an seine Grenzen gestoßen ist. Das Schlimme ist, dass man in Rio doch selbst ohne Russen in keinem Wettkampf glauben kann, dass Medaillengewinner und andere Teilnehmer sauber sind"
Direktor Herman Ram von der Nationalen Anti-Doping-Agentur (NL-Nada): "Das IOC hat versagt. Der Mangel an Führungskraft ist unverständlich. Die am besten organisierte Form von Staatsdoping wurde entlarvt, und dennoch setzt sich das IOC nicht durch. Wir denken, dass sich das IOC für sauberen Sport einsetzen und saubere Athleten schützen muss. Dazu passt es nicht, dass dieses Land, wenn auch unter strengen Auflagen, an den Spielen teilnehmen kann."
Sportrechtsexperte Michael Lehner: "Der internationale Sportgerichtshof CAS hat juristisch klar gesagt, dass es nach dem Ende einer Strafe keine 'Nachstrafe' geben darf. Und die CAS-Entscheidung gilt weiterhin."
NADA-Vorsitzende Andrea Gotzmann: "Unsere Arbeit ist beschädigt, die Glaubwürdigkeit unserer Arbeit, mittel- und langfristig. Das ist ein Rückschritt in unserer Arbeit, und damit sind wir nicht alleine. Wir sind ziemlich entsetzt und werden auch eine entsprechende Stellungnahme abgeben. Die Werte des Sports und der Olympischen Charta sind in Gefahr.Die WADA muss gestärkt werden, die Anti-Doping-Arbeit muss von den Fachverbänden losgelöst werden. Das ist ein Rückschritt in der Anti-Doping-Arbeit. Wir halten das für den falschen Schritt. Wir hätten uns zumindest gewünscht, dass die WADA mit involviert wird. Viele Fachverbände sehen wir in einem Interessenskonflikt."