
In jedem Jahr gibt es Clubs, die negativ oder positiv überraschen. Und auch, wenn man es der sportal.de-Redaktion als Fan eines solchen Teams nicht glauben mag - wir setzen uns gerne so manches Mal die Papiertüten auf und entdecken unser Herz für Außenseiter.
Wir wussten es schon immer: Die Bundesliga-Tabelle vor einer Saison zu tippen macht einfach keinen Spaß. Eine Mannschaft schert immer aus der von uns vorgegebenen Reihe aus und spielt erstaunlich gut oder besonders schlecht. Nur, um uns arme Sportjournalisten zu quälen. Dass sich in dieser Hinrunde gleich drei Teams zum "besser spielen, als erwartet" verschworen haben, ist dabei besonders unfair.
Die Frankfurter Mischung macht´s
Besonders kalt erwischte uns dabei Eintracht Frankfurt, das wir bei unserem Tipp vor der Saison auf den 15. Platz tippten. Die Wahrheit lag rund um die Commerzbank Arena auf einem ganz anderen, nämlich dem vierten Platz und der besten Hinrunde seit 19 Jahren. Das Ziel Klassenerhalt dürfte mit 30 Punkten und 18 Zählern Vorsprung vor dem Relegationsplatz bereits halb abgehakt sein. Zeit, sich also bei der Eintracht darauf zu konzentrieren, den Bonus nicht zu verspielen.
Die Eintracht ließ sich nach dem geglückten Wiederaufstieg die Kaderplanung rund fünf Millionen Euro kosten, dabei zeigte Sportdirektor Bruno Hübner das richtige Näschen für erschwingliche Neuzugänge. Kevin Trapp, Bastian Oczipka, Carlos Zambrano, Takashi Inui, Bamba Anderson und Olivier Occéan machten den Großteil der Transferausgaben aus und sind Bestandteile des Frankfurter Höhenflugs.
Dazu kommen mit den Sebastians Jung und Rode zwei junge Spieler, die sich in dieser Hinrunde auf den Notizzettel einiger Scouts namhafter Clubs gespielt haben. Dabei sind die beiden 22-Jährigen bereits alte Eintracht-Hasen, die bereits seit 2009 (Jung) bzw. 2010 (Rode) im Profikader gesetzt sind. Ob die beiden jetzt so gut sind, weil Abwehr und Mittelfeld der Frankfurter eine sehr gute Hinrunde hingelegt haben oder diese Mannschafsteile (auch) so gut sind, weil Jung und Rode dort Positionen bekleiden, ist dabei eher eine Huhn-Ei-Diskussion. Fakt ist, die ersten 17 Spiele der Bundesliga-Saison 2012/13 sprechen für sie.
Ladehemmung vorne? Dann eben das Mittfeld
Wenn man ein Haar in der Frankfurter Suppe finden möchte, dann ist das im Sturm. Keiner der etatmäßigen Stürmer traf mehr als ein Mal ein gegnerisches Bundesliga-Tor. Das besorgten vor allem die Mittelfeldspieler Alex Meier, der mit elf Toren auf Platz zwei der Torjägerliste steht, Stefan Aigner (6 Tore) und Inui (5). Solange diese drei weiter treffen, scheint es in der Hessenmetropole wenig Bestrebungen zu geben, dass noch im Winter ein neuer Stürmer kommt. Wichtiger sei die Abwehr, hieß es bis jetzt. Und mit Rückkehrer Marco Russ wurde genau dieser Transfer getätigt.
Ein Angreifer wäre dagegen ein Luxus, den man sich nicht unbedingt leisten muss. Ganz oben auf dem Einkaufszettel soll der Wolfsburger Srdjan Lakic sein, Verhandlungen zwischen der Eintracht und dem VfL stockten jedoch im Moment, heißt es nach Medienberichten. Trainer Armin Veh erklärte gegenüber der FAZ, "dass ein neuer Stürmer bis Ende Januar kommen kann, aber nicht kommen muss. Ich fordere es nicht".
Doch Obacht, heißt es trotzdem für den Sturm und in erster Linie Angreifer Nummer eins, Olivier Occean. Im Verlaufe der Hinrunde war der torlose Torjäger des Öfteren in die Schusslinie der Kritiker geraten, doch jedes Mal hatte Veh seine schützende Hand über dem Kanadier gehabt und dessen Qualitäten neben dem Abschluss gelobt. "Olli muss bei mir nach hinten arbeiten und Bälle halten", so das Lob an den Systemspieler Occean. Auch dieser weiß, dass die eigentliche Messlatte für Angreifer jedoch Tore sind. In der Bundesliga und "nicht gegen Al Jazeera", so Occean.
SC Freiburg: Streich und der Breisgau-Style
Mit Ladehemmung bei Stürmern kennt man sich auch im Breisgau bestens aus und doch steht der SC Freiburg nach der Hinrunde auf Platz fünf, während wir zu Saisonbeginn mit Platz 13 rechneten. Wie auch in Frankfurt war es in Freiburg ebenfalls das Mittelfeld, das dem Sturm aus der Patsche half. Wie in Frankfurt gibt es mit Max Kruse einen Neuzugang, der sich fest in der Stammelf etabliert hat. Und wie bei der Eintracht ist der Erfolg eng mit dem System des Trainers verbunden.
Sollte Christian Streich sich um den Jahreswechsel zurückgelehnt und sein Jahr resümiert haben, dürfte dem Trainer eines noch einmal so richtig bewusst geworden sein: 2012 war das Streich-Jahr. Ende Dezember 2011 hatte der seit 1995 in Freiburg tätige und aus der Region stammende Coach einen abstiegsgefährdeten Bundesliga-Club übernommen, nun steht dieses Team auf den Europa-Rängen.
Nicht ganz unwichtig für seine Erfolgsgeschichte war dabei Streichs vorherige Tätigkeit als Leiter der Freiburger Fußballschule und A-Jugendtrainer. Oliver Baumann, Oliver Sorg, Matthias Ginter, Jonathan Schmid, Daniel Caligiuri, und Johannes Flum gehören nicht nur zum Kern des derzeit erfolgreichen SC-Teams, sondern gingen als Jugendliche alle durch die Streichsche Schule. "Genau das, was wir früher in der Jugend gespielt haben, haben wir dann auch in der Bundesliga gespielt. Und es hat funktioniert - von Woche zu Woche mehr", verriet Torwart Baumann unlängst der Badischen Zeitung das Geheimnis des Klassenerhaltes 2012 und den Hinrunden-Aufschwung.
Die Arbeitsweise des Coaches hat sich nach eigenen Aussagen gegenüber der Süddeutschen Zeitung wenig geändert. "Ich bin nur eine handelnde Person, die Fußball liebt und mit den Jungs basteln will", erklärte er im Interview. Glaubt man ihm, so bastelt er immer noch am selben Ziel, wie vor einem Jahr, denn "das Ziel, das über allem steht, ist der Nichtabstieg".
Kleiner Aufwand, großer Ertrag
Selbst in nackte Zahlen gepresst, liest sich das Erfolgsgeheimnis aus dem Breisgau wie aus dem Lehrbuch. In einer vom Wall Street Journal veröffentlichten Effizienztabelle belegt Freiburg den ersten Platz, dahinter folgen Mainz, Düsseldorf und Frankfurt. Demnach zahlte der SC im Vergleich mit dem Spieleretat 0,62 Millionen Euro pro Punkt und 0,67 Millionen Euro pro Tor.
Der Schlüssel, sagt Sportdirektor Dirk Dufner, liege für kleine Vereine mit geringem Etat in "Ideen, guter Arbeit und Akribie", dann könne "man als kleinerer Verein viel wettmachen", erklärte er dem Wall Street Journal den Erfolg. Der liege allerdings nicht alleine beim SC, so Dufner weiter. "Wenn die Clubs mit dem vielen Geld alles richtig machen würden, hätten wir keine Chance", so seine Feststellung. Bescheidenheit, deine Hauptstadt ist im Breisgau.
Mainz, der Star und die Effizienz
Mit ähnlich bescheidenen Mitteln liegt der FSV Mainz 05 auf dem sechsten Rang punktgleich hinter den Freiburgern und in der Effizienztabelle folgerichtig ebenfalls knapp hinter dem SC. Schuld sind die 900.000 Euro mehr im Personaletat, denn Punkte und Tore stimmen exakt überein. Und: Beide Clubs stehen im Viertelfinale des DFB-Pokals. Dazu tippten wir natürlich auch die Mainzer in die untere Tabellenhälfte, wobei Platz elf und Platz sechs nicht so weit auseinanderliegen, wie in den Beispielen zuvor. So kommt es zum Auftakt der Rückrunde zum Duell um den inoffiziellen Effizienzpokal, wenn Mainz die Freiburger empfängt.
Wie kaum ein anderer betet dabei Trainer Thomas Tuchel in guter, alter Mainzer Tradition das Credo "der Star ist die Mannschaft" rauf und runter. "Der besondere Charakterzug dieser Mannschaft liegt darin, dass sich die Spieler helfen und sich so auf ein neues Niveau bringen", so Tuchel gegenüber der Allgemeinen Zeitung, der Tuchel zudem erklärte, dass die Wende nach dem Start mit einem Punkt aus drei Spielen von den Spielern selbst herbeigeführt worden war.
Und weil der Star so gut funktioniert, soll in der Winterpause fast keiner das Gefüge stören. Schließlich habe das Team bewiesen, dass es "in dieser Konstellation sehr gut funktioniert", wie Tuchel vor dem Abflug ins Trainingslager nach Marbella wissen ließ. Was wiederum nicht hieße, dass es keinen Neuzugang geben wird. Tuchel will nur ganz genau hinschauen.
So ein Stürmer, wie Topmann Adam Szalai zum Beispiel. Der beste Mainzer Torschütze mit neun Toren ist sich im Spiel nicht zu schade, auch hinten mit auszuhelfen. Alles im Interesse der Mannschaft, wie er unlängst im kicker betonte. "Für unsere Spielweise ist es wichtig, dass alle elf Spieler verteidigen", so seine einfache Erklärung des Mainzer Systems. Damit dürfte der Ungar ganz nach Tuchels Geschmack argumentieren, besonders wenn er sagt: "Nach dem Spiel muss ich das Gefühl haben, alles perfekt für die Mannschaft getan zu haben."
Wie werde ich eine Überraschungsmannschaft in der Bundesliga?
Ob die drei Clubs eine erfolgreiche Blaupause für Underdogs und kommenden Bundesliga-Spielzeiten gezeichnet haben, oder am Ende der Saison die Rechnung uns Papiertüten erspart? Zumindest Freiburgs Sportdirektor Dufner ist sich durchaus bewusst, dass noch eine ganze Rückrunde vor den Breisgauern liegt: "Natürlich schießt Geld in der Regel auch Tore, und langfristig spiegelt die Tabelle meist die Finanzkraft der Vereine", lautet seine Beobachtung im Wall Street Journal.
Aber schöner ist es doch, sich das eine oder andere Mal gegen das Gesetz der Marktwirtschaft stemmen zu können. Und das ist uns mit Herz für die Kleinen auch so manche Papiertüte als Kopfschmuck wert.