Am Samstag steigt das Finale zwischen dem BVB und dem FC Bayern. Jürgen Klopp hat dem Guardian ein Interview gegeben und den Final-Gegner als James Bond-Bösewicht bezeichnet. Kritik gab es für Sir Alex Ferguson, zudem lieferte er Einblicke in sein Seelenleben.
Wenige Tage vor dem Champions-League-Finale in London gewährt Jürgen Klopp tiefe Einblicke in seinen Gemütszustand. Beim kolportierten Bayern-Interesse an Robert Lewandowski gibt sich Klopp jedoch betont gleichgültig: "Was soll ich sagen? Wenn es das ist, was die Bayern wollen... Es ist wie bei James Bond - außer, dass sie der andere Kerl sind."
Angesprochen auf seinen China-Vergleich entschuldigt er sich in Richtung der Münchener: "Als ich das gesagt habe, war ich müde. Bayern möchte ein Jahrzehnt des Erfolgs, so wie Barcelona. Das ist okay, wenn man das Geld dafür hat. Es erhöht die Chance, dass man erfolgreich ist, aber es ist keine Garantie."
Klopp: "Sind kein Supermarkt"
Die Tatsache, dass andere Vereine sich praktisch keine Gedanken um Finanzen machen müssen, sieht er kritisch: "Wir sind kein Supermarkt, aber sie wollen unsere Spieler, weil sie wissen, dass wir ihnen nicht das gleiche bezahlen können. Es kann nicht unser Weg sein, es wie Real Madrid und Bayern München zu machen. Wir müssen seriös und vernünftig arbeiten. Wir haben diesen Geldbetrag, also können wir diesen Betrag bezahlen. Aber wir verlieren dadurch Spieler. Letztes Jahr war es Shinji Kagawa."
Gerade der Weggang des Japaners scheint Klopp schwer im Magen zu liegen. Dabei kritisiert er auch Manchesters Ex-Trainer Sir Alex Ferguson: "Shinji Kagawa ist einer der besten Spieler der Welt und jetzt spielt er 20 Minuten bei Manchester United. Auf der linken Außenbahn! Das bricht mir das Herz. Er ist ein offensiver Mittelfeldspieler mit einem der besten Torriecher, die ich jemals gesehen habe. Für die meisten Japaner bedeutet es aber mehr, für Manchester United zu spielen, als für Borussia Dortmund. Als er ging, lagen wir uns 20 Minuten lang weinend in den Armen."
Götze-Wechsel wie eine Herzattacke
Ein Jahr zuvor war Nuri Sahin aus ähnlichen Gründen zu Real Madrid gewechselt. Dennoch glaubt Klopp an das Projekt Borussia: "Wenn die Spieler geduldig genug sind, können wir unsere Mannschaft zu einer der besten auf der Welt entwickeln."
Einer, der sicherlich nicht so schnell zur Borussia zurückkehren wird wie Sahin, ist Mario Götze: "Es war wie eine Herzattacke. Es war einen Tag nach dem Malaga-Spiel. Ich hatte also einen Tag um zu feiern, dann dachte sich jemand: Genug! Zurück auf den Boden!"
Dortmunder Spieler schlaflos
Den Moment hat Klopp noch genau vor Augen: "Auf dem Trainingsgelände kam Michael Zorc auf mich zu, es war, als wäre jemand gestorben. Er sagte mir: 'Ich muss Dir was sagen. Es könnte sein, dass...' Er fragte mich, ob ich darüber reden wollte, aber ich sagte, ich müsse gehen. An dem Abend wartete meine Frau auf mich, weil wir auf eine Filmpremiere eingeladen waren. Ich kam rein und sagte ihr, dass ich heute unmöglich ausgehen könne. Es gab all diese Anrufe vom Verein, wir sollten uns in einem Restaurant treffen, aber ich habe gesagt: Ich muss heute alleine sein. Morgen, okay. Aber nicht heute Nacht."
Manche Dortmund-Spieler konnten nach Klopps Aussagen in der Nacht nach dem Wechsel nicht schlafen: "Ich habe sechs oder sieben Spieler angerufen, von denen ich wusste, dass sie im tiefsten Herzen getroffen waren. Sie dachten, sie wären nicht gut genug, dabei wollten sie zusammen gewinnen. Deswegen tat es ihnen so weh. Bayern hat zu Mario gesagt: "Jetzt oder nie!" Ich habe ihm gesagt, dass sie nächstes Jahr wiederkommen werden. Und in zwei Jahren. Und in drei Jahren auch. Aber er ist 20 und dachte, er müsse jetzt gehen. Ich weiß wie schwer es wird, einen Spieler zu finden, der ihn ersetzen kann. Aber wir werden nächstes Jahr anders spielen. Es braucht nur Zeit."
Barcelonas Jubel als Motivation
Die Freude am Fußball weckt Klopp bei seinen Spielern nach eigenen Aussagen gerne mit Jubelbildern aus Barcelona. Die Katalanen beeindrucken Klopp nicht nur auf dem Platz: "Sie feiern jedes Tor, als wäre es das Erste, das sie je erzielt hätten. Das ist perfekt, um es meinen Spieler zu zeigen, ich mache das häufig. Ich zeige ihnen keine Videos, weil ich Barcelonas Stil nicht kopiere. Aber man sieht sie ihr 5000. Tor feiern, als wäre es das erste. So sollte man sich immer fühlen - bis man stirbt."
Interessante Einblicke gewährt der BVB-Trainer in die Zeit vor der Borussia. Die Absage der Bayern sieht er positiv: "Uli Hoeneß hat mich angerufen und gefragt, ob wir uns treffen. Er sagte mir, dass sie über zwei Leute nachdenken und ich sei einer davon. Später haben sie sich dann für Jürgen Klinsmann entschieden. Ich war nicht zu enttäuscht darüber - für einen Zweitliga-Trainer ist es nicht das Schlechteste, von Bayern angerufen zu werden."
Dem Hamburger SV zu ungepflegt
Auch der Hamburger SV hatte 2008 Interesse an einer Verpflichtung Klopps. Warum es letztlich nicht passte, weiß Klopp genau: "Sie kamen zu mir nach Hause, aber nur zwei von den drei Leuten wollten mich als Trainer. Einer war sich nicht sicher. Ich sah ihnen zu ungepflegt aus - dann tut es mir leid."
Was die Hamburger von ihm hielten, erfuhr Klopp dann indirekt: "Ich habe dann in der Zeitung gelesen, dass ich deswegen nicht der richtige Coach sei. Und auch, weil meine Spieler mich "Kloppo" nennen. Ich finde das nicht respektlos. Als ich bei Mainz als Trainer anfing, waren die Spieler meine Mannschaftskollegen. Am nächsten Tag war ich ihr Trainer. Sollen die mich jetzt mit "Herr Klopp" ansprechen? In Hamburg dachte man, dass sie jemanden, den man mit "Kloppo" anspricht, nicht respektieren können. Ich habe beim HSV angerufen und gesagt, dass ich nicht nach Hamburg gehen möchte, wenn sie so viele Zweifel an meinem Charakter haben."
Dortmund das interessanteste Fußballprojekt
Derzeit fühlt sich Klopp nach eigener Aussage pudelwohl in Dortmund, das angebliche Interesse von Clubs wie Manchester City oder dem FC Arsenal sieht er gelassen: "Wenn ich mich jetzt bei anderen Clubs anbieten würde, würde ich sicher Angebote bekommen. Aber daran bin ich nicht interessiert, weil Borussia Dortmund für mich im Moment das interessanteste Fußball-Projekt der Welt ist. Wenn mich jemand in drei oder vier Jahren haben will, dann können wir darüber sprechen. Aber im Moment ist hier der beste Ort für mich."
Dortmund sei im Gegensatz zu anderen Clubs ein Verein und keine Firma, so Klopp. Für das Champions-League-Finale kann es deshalb laut Klopp für neutrale Zuschauer auch nur eine Wahl geben: "Wenn der Fan die Geschichte der Bayern respektiert und wie viel sie seit den 1970er Jahren gewonnen haben, soll er sie unterstützen. Aber wenn er die neue Geschichte hören will, die besondere Story, dann muss es Dortmund sein. Ich denke zu diesem Zeitpunkt muss man in der Fußballwelt auf unserer Seite sein."
Michael Stricz