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17. Etappe der Tour de France: Pinot und seine Angst vor Geschwindigkeit - Gegen die Phobie zum Sieg?

Zu den Kommentaren   |   Quelle: sportal.de
23. Juli 2014, 10:15 Uhr
Thibaut Pinot
Thibaut Pinot will endlich seine Phobie überwinden

Vincenzo Nibali scheint seinem ersten Tour-Sieg unaufhaltsam entgegen zu fahren. Einer der ihn aufhalten könnte, muss erst noch beweisen, dass er seine Angst vor Geschwindigkeit besiegt hat. Zur härtesten aller Etappen stellt sportal.de einen potentiellen Titelkandidaten mit einer merkwürdigen Phobie vor - Thibaut Pinot.

Die 17. Etappe der Tour de France (ab 15 Uhr im Live-Ticker) ist vielleicht der härteste aller Teilabschnitte der diesjährigen Rundfahrt. Auf die mit 237,5 km längste Etappe folgt heute zwar die kürzeste (124,5 km), diese hat es dafür allerdings in sich. In den Pyrenäen liegen vier Berge vor den Profis, drei davon sind Brocken der ersten Kategorie.

Auf dem Weg zur Bergankunft auf dem Pla d'Adet (1654 m, höchste Kategorie) stehen drei Bergwertungen der ersten Kategorie auf dem Programm: Der Col du Portillon (1292 m), der Col de Peyresourde (1569 m) und der Col de Val Louron-Azet (1580 m). Ab Kilometer 48 gibt es somit einen ständigen Wechsel zwischen Klettern und Abfahrt. Der Schlussanstieg ist mit 10,2 km nicht übermäßig lang, mit durchschnittlich 8,3 Prozent Steigung jedoch anspruchsvoll. Besonders in der unteren Hälfte ist er immens steil.

Der Tagesabschnitt wird deshalb der Moment, in dem sich auch bei den Top-Fahrern nochmals die Spreu vom Weizen trennt. Sollte Nibali unerwartet eine Schwäche zeigen, ist die heutige Etappe eine der letzten Chancen, diese zu nutzen. Pinot hat alles für eine Attacke, wäre da nicht seine Angst. 

Wenn nicht jetzt, wann dann?

Es ist die perfekte Gelegenheit für den neuen Dritten im Gesamtklassement sein Trauma zu überwinden. Mit der Attacke bei der gestrigen Etappe vier Kilometer vor der Passhöhe des Port de Balès deutete Pinot schon an, wie der Gesamtsieg - oder zumindest ein ernstzunehmender Angriff - noch zu schaffen wäre. Immer wieder verschärfte der junge Franzose das Tempo, kurz vor dem Gipfel konnte er seine Begleiter abhängen. In der Abfahrt kamen Valverde, Nibali und Péraud allerdings wieder ran.

Dennoch zahlte sich der Tag am Ende aus. Der 24-Jährige kletterte auf Platz drei und entriss seinem Landsmann Romain Bardet nebenbei auch das weiße Trikot des besten Newcomers.

"Das war ein toller Tag. Heute hatte ich das Ziel, das Weiße Trikot zu erobern und mich von meinen Widersachern, Alejandro Valverde und Romain Bardet, abzusetzen", sagte Pinot: "Ich fühlte mich richtig gut, in meiner besten Verfassung bei der diesjährigen Tour. Für das Weiße Trikot habe ich Bardet heute anderthalb Minuten abknöpfen können und beim Zeitfahren bin ich meiner Meinung nach auch stärker als er. Das Wichtigste ist aber das Podium, das wäre außergewöhnlich."

Außergewöhnlich vielleicht, eine Überraschung jedoch nicht. Denn es gibt nicht viele, die besser den Berg hinaufklettern als Pinot. Das Problem ist die Abfahrt. Nibali und Co. konnten auf eben jener den eigentlich schon enteilten Franzosen wieder einholten.

Pinot fürchtet sich vor der Geschwindigkeit. Schuld ist ein traumatischer Unfall in seiner Kindheit. Er kämpft aber ebenso gegen die Bilder, die sich 2013 in seinem Kopf eingebrannt haben. Im Vorfeld zur Tour 2013 hieß es, Pinot werde alle überraschen. Aber die Angst vor der Geschwindigkeit lähmte ihn. Seither kämpft er nicht nur mit der Angst vor Abfahrten, sondern auch mit den Bildern vom Port de Pailhères. Nicht sein Körper hatte ausgesetzt, sondern sein Kopf. Er verlor über sechs Minuten, der Traum war vorbei.

Gegen die Phobie

Will er die Tour de France in seinem Leben ganz oben auf dem Treppchen abschließen, hilft nur ein Sieg über die Phobie, die andernfalls stets seine gesamte Arbeit zunichte machen wird. Bis dies geschieht, bleibt Pinot und die Angst bei der Tour ein Dauerthema. Mut macht, dass sich der Franzose auf der Alpenetappe vom Samstag schon wesentlich besser als noch 2013 schlug. Und auch gestern zeigte er, dass er dabei ist, seine Angst zu besiegen.

Pinot stellte sich seiner Phobie. Und dies mit allen Mitteln. Letzten Herbst beispielsweise stieg er in Le Mans in ein Rennauto und drehte Runde um Runde, immer schneller und schneller. Ein paar Monate später nahm er auf L'Alpe-d'Huez an einer Schnee-Rallye teil. Im französischen Fernsehen konnte man das Unbehagen Pinots live miterleben. Aber Pinot brachte zu Ende, was er begonnen hatte.

Wohl auch aufgrund dieser Erfahrungen ging Pinot gestärkt in die Tour 2014. Momentan genügt dies für Platz drei. Heute Abend wird man wissen, ob es vielleicht für mehr reicht.

Autor: Sven Scharf